Warum es so schwer ist, Menschen für Kommunalpolitik zu begeistern

Wirklich schade, wieder geht ein führender Kommunalpolitiker von Bord. Das war mein erster Gedanke, als ich gehört habe: Marcel Speker gibt sein Amt als CDU-Ortsvorsitzender ausgerechnet drei Monate vor einer wichtigen Wahl auf, wohl hauptsächlich aus beruflichen Gründen. Die Leitung des Ludwig-Windthorst-Hauses in Lingen als einer der größten Heimvolkshochschulen in Niedersachsen ist sicher eine große Herausforderung. Vorher war er Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Zeitarbeitsfirmen. Was man dennoch hört, selbst bei manchen Grünen: Als verlässlicher – auch streitbarer – Gesprächspartner wäre es wünschenswert gewesen, wenn er bis zur Kommunalwahl weitergemacht hätte.

Als Politikwissenschaftler hat Marcel Speker den richtigen Ansatz gehabt, als die CDU ihn 2016 zum Ortsvorsitzenden in Bad Bentheim gewählt hat. Seinerzeit hat er formuliert: „Politikverdrossenheit und die Wahlerfolge der AfD im Umland sind weniger auf die inhaltlichen Positionen zurückzuführen sondern vielmehr auf mangelnde Transparenz bei den politischen Entscheidungsprozessen in der Vergangenheit.“ Daraus hat er die Forderung abgeleitet: „Wir müssen unsere Positionen kritisch untereinander und mit den Bürgern diskutieren, transparent nach außen machen und anschließend entschlossen in der Diskussion vertreten.“ Gerade in der Stadtpolitik in Bad Bentheim sei die Kommunikation mit den Bürgern – und zwar in beide Richtungen – nötiger denn je. Das trifft im Kern den Politikansatz der Grünen.

Dass dieses hehre Ziel aus Sicht der Grünen beim Thema „Ansiedlung einer Güllefabrik im Gewerbegebiet in Westenberg“ gerade Speker mit seiner Agentur „Verbum manet“ (Das Wort bleibt) nicht zum Maßstab seines Handelns gemacht hat, darüber lässt sich trefflich streiten. Denn auch Kommunalpolitiker, die guten Willens sind, machen nicht alles richtig. Und die Öffentlichkeit schaut heutzutage genauer hin. Wie im normalen Leben sollte aber auch in der Politik gelten: Wer arbeitet, macht Fehler. Diese Fehler muss man benennen dürfen. Und als Verursacher im besten Fall auch einsehen.

Viel wichtiger wäre es für alle (Kommunal)Politiker, auch nur den Anschein zu vermeiden, dass die landläufige Meinung vieler Menschen stimmen könnte: Auch auf lokaler Ebene wird doch sowieso verfahren nach dem Motto „Eine Hand wäscht die andere“. Die Maskendeal-Affäre auf Bundesebene hat letztlich nicht nur CDU und CSU geschadet, sondern das Thema Politikverdrossenheit unnötigerweise wieder auf die Tagesordnung gebracht. Bis hinein in den lokalen Bereich.

Wie die Bindungswirkung der Parteien auch der kommunalen Ebene nachlässt, das zeigen die Zahlen auch in Bad Bentheim. Das gilt für die CDU wie für Bündnis 90/Die Grünen. Nur neun von 26 Kandidaten auf der Liste für die Stadtratswahl sind bei der CDU noch Parteimitglied, bei den Grünen sind es fünf von zwölf. Vielleicht ist es kein Zufall, dass es sich wie „fünf vor zwölf“ anhört. Für die Demokratie insgesamt ist das eher bedenklich. Man kann so viele parteilose Kandidaten als breites bürgerschaftliches Engagement werten und feiern. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Es wird für alle Parteien insgesamt immer schwieriger, Personen für die Wahllisten zu finden. Und vor allem: auf Dauer zu halten.

Deshalb ist die Transparenz bei oft komplizierten kommunalpolitischen Entscheidungen von so eminenter Wichtigkeit. Das gilt auch für die Stadtverwaltung einschließlich des Bürgermeisters. Die Kommunalverfassung hat einen politischen Hauptverwaltungsbeamten gewollt, aber der sollte seinen Wissensvorsprung nicht nur für seine eigene politische Agenda nutzen. Das muss in verstärktem Maße auch für Dr. Volker Pannen (SPD) gelten. Ein Facebook-Profil allein ist noch kein Ausweis von Transparenz, wenn wichtige Fragen unbeantwortet bleiben.

Auch der Bürgermeister muss sich in seiner dritten Amtszeit beweisen, denn bei seiner Landratskandidatur hat er im Vorfeld unmissverständlich versprochen: Ich habe alle meine Ziele in Bad Bentheim erreicht und trete dort deshalb nicht für eine dritte Amtszeit an. Das dürften viele seiner Wähler nicht vergessen haben: Erst als er scheiterte, hat er sich anders überlegt. Zuviel Selbstvertrauen kann offenbar auch in der Kommunalpolitik schädlich sein.

Bisher haben es vor allem die großen Parteien im Rat dem Bürgermeister vielleicht etwas zu einfach gemacht und waren zu gutgläubig. Das muss sich ändern, denn letztlich trifft die Politik im Stadtrat die Entscheidungen und sollte diesen Vorteil auch nutzen. Durch gezieltes Nachfragen und gegebenenfalls auch Bohren, bis die gewünschte Transparenz nicht nur für die Ratsmitglieder sondern auch für die Öffentlichkeit hergestellt ist. Das ist vielleicht unbequem, wenn man sich dafür streiten muss, aber das ist das Wesen von Demokratie: Die beste Lösung suchen. Denn wenn etwas nicht läuft wie gewünscht, wird am Ende doch die Politik (und die Menschen, die sie machen) verantwortlich gemacht.

(63), Journalist und Diplom-Pädagoge, für GN und Eylarduswerk tätig, lange Betriebsratsvorsitzender, jetzt im Vorruhestand. Vielleser und Fußballfan (BVB). Gern auf dem Rad und in der Natur unterwegs, nicht nur in heimischen Gefilden, weil Reisen bildet. Lebt im grünen Bereich in Achterberg.

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