Bautätigkeiten in Bad Bentheim – Masse statt Klasse?


Die Baukräne drehen sich im Neubaugebiet an der Suddendorfer Straße und an vielen anderen Stellen in der Stadt. Im Stadtbild sieht man viele in letzter Zeit fertig gestellte Neubauten. Ist das wirklich gut für Bad Bentheim?

Als langjähriges Mitglied im Bauausschuss versuche ich, diese Frage ergänzt durch vier weitere Teilfragen zu beantworten:

1. Wie viel wird genau gebaut?

Es fängt wohl an mit der simplen Frage: Wie viele Wohnungen und Häuser wurden in den letzten Jahren in Bad Bentheim und Gildehaus gebaut? Tja, gute Frage! Ich weiß es nicht – und es liegt nicht daran, dass ich nicht gefragt habe. Es gibt sogar einen Beschluss des Stadtrates, dass die von Bürgermeister Dr. Pannen geführte Verwaltung jährlich detaillierte Zahlen zum Bauen in Bad Bentheim vorlegen muss. Allein, es passiert nicht – mit leicht wechselnden Begründungen. Es ist allein die GRÜNE Fraktion, die immer wieder auf die Vorlage der Zahlen dringt, leider mit geringem Erfolg.

Gleichzeitig hat die Stadt für nicht gerade kleines Geld durch Sachverständige berechnen lassen, wie viele Neubauten für Bad Bentheim gut sind, und ab wann die Nachteile überwiegen. Die Gutachten empfehlen moderate Bautätigkeit, in einem Rahmen von 30 bis 50 fertiggestellten Wohnungen pro Jahr. Das erscheint mir denn doch sehr viel weniger zu sein, als dass was man in Bad Bentheim gerade entstehen sieht. Nur, dem Stadtrat liegen keine Zahlen vor… Stadtentwicklung im Blindflug also.

2. Werden die Auswirkungen von Neubau auf die historische Innenstadt berücksichtigt?

Auswirkungen der Neubauten auf das Bad Bentheimer Stadtbild sind inzwischen deutlich. Renditeoptimierte Apartmentklötze wie der Bau an der Franziskusstraße verschandeln das Stadtbild. Eigentlich sollten solche Bauten an städtebaulich sensiblen Stellen ein absolutes Unding sein – sind sie aber nicht.

Hinzu kommen inzwischen zahllose Häuser, die in ziemlich schlechtem Zustand sind, und zahlreiche leerstehende Häuser in der Innenstadt. Von Seiten der Stadtverwaltung und Teilen des Stadtrates wird dazu immer wieder das Argument bemüht, dass es auf den Immobilienportalen im Internet nur wenige Immobilienangebote für Bad Bentheim gibt, es also keinen Leerstand gibt. Ich wohne in der Innenstadt von Bad Bentheim, in meiner Straße gibt es vier leerstehende Häuser in sehr schlechtem Zustand. Altimmobilien stehen natürlich in Konkurrenz zum Neubau. Wenn viel, künstlich billig gehaltenes Bauland auf der grünen Wiese zur Verfügung steht, drückt das die Preise für Bestandsimmobilien. Keines der leerstehenden Häuser in meiner Straße wird zum Kauf angeboten – ganz einfach, weil die Besitzer den Verkauf nicht nötig haben, schon gar nicht für den Preis, den sie für (leicht runtergekommene) Altimmobilien erzielen können. Um eine Abwärtsspirale zu vermeiden, müsste die Stadt eigentlich aktiv werden, um die bestehenden Häuser in der Innenstadt bewohnt und attraktiv und damit die Innenstadt ansehnlich und lebendig zu halten. Stattdessen setzt der Stadtrat, gegen GRÜNEN Widerstand, einseitig auf Neubauten auf grünen Wiesen.

3. Wird, wenn schon gebaut werden muss, ausreichend Rücksicht auf Klimaschutz, Starkregenereignissen etc. genommen?

Wir hinken in Bad Bentheim deutlich hinter den inzwischen selbstverständlichen Standards für Neubaugebiete hinterher. Anderorts werden längst nur noch Bebauungspläne verabschiedet, die gleichzeitig auf Flächensparen, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel ausgerichtet sind, und zwar sowohl bei Bebauungsplänen für Wohnbebauung, als auch für Gewerbegebiete. Bei uns in Bad Bentheim werden diese wichtigen Aspekte sowohl für die Wohnbebauung, als auch die Gewerbegebiete, kaum oder gar nicht berücksichtigt. Bei uns wir auf der grünen Wiese gebaut, Gründächer, innovative Energiekonzepte, notwendige grüne Lungen und Platz für große Bäume sind rar gesät. Im Vordergrund steht, dass Bauland billig sein soll, auf Vorgaben zu Klimaschutz wird verzichtet, Bauland wird gern maximal versiegelt. Schön und langfristig nachhaltig und lebenswert ist sowas nicht – auch wenn wir es „Wohnpark“ nennen. Hinzu kommen Planungen an Stellen, die nicht bebaut werden sollten wie z.B. die Flächen von Schulte-Kolthoff im Westen von Bad Bentheim. Die südlich unterhalb dieser Flächen liegenden Häuser standen bereits einmal nach einem Starkregenereignis tief im Wasser. Wenn uns dieser Sommer etwas gezeigt hat, dann, dass mehr und heftigere Starkregenereignisse zu erwarten sind. Wenn die Flächen jetzt oberhalb noch durch ein Neubaugebiet versiegelt werden, wird ein bestehendes Problem weiter verschärft. Das ist sicher keine sinnvolle Stadtplanung.

4. Werden Folgen der Bautätigkeit im Hinblick auf die notwendige Infrastruktur frühzeitig mitbedacht?

Wie viel, was und wo gebaut wird, entscheidet nicht nur über das Erscheinungsbild einer Stadt, sondern auch darüber, ob es in den Schulen und Kitas eng wird und ob es zu Verkehrsengpässen kommt. Offenbar haben wir hier in Bad Bentheim die Folgen unserer Bautätigkeit nicht im Blick. Beim Neubau der Grundschule in Bad Bentheim galt damals, dass die Größe völlig ausreichend ist. Das ist längst nicht mehr der Fall. Auch die von Anwohner*innen beschriebene zunehmende Verkehrsproblematik in der Südstraße ist offensichtlich der Tatsache geschuldet, dass neue Wohnungen auch eine Zunahme des Verkehrs bedeuten.

Die Eingangsfrage „Ist das viele Bauen wirklich gut für Bad Bentheim?“ kann ich aktuell also leider nur verneinen!

Aber Bauen ist natürlich nicht per se schlecht – Bauen kann gut für unsere Stadt sein!
Wir unterstützen Bauen, wenn:

  • die Notwendigkeit und der Bedarf faktisch nachgewiesen sind
  • die Bebauungspläne auf ökologisches und auf klimaneutrales Bauen ausgerichtet sind
  • nicht an Stellen gebaut wird, an denen negative Folgen des Klimawandels wie Überschwemmungen zu erwarten sind
  • der Fokus auf Flächensparen und einer durchdachten und moderaten Innenentwicklung innerhalb der Siedlungen liegt
  • es mehr freie Flächen in den Baugebieten gibt
  • die Folgen der Neubauten auf das Stadtbild, Bestandsbauten, Verkehr, Schulen, Infrastruktur ausreichend bedacht sind

Oder ganz simpel: mehr Klasse statt Masse!

(51), Chemiker, forscht und lehrt an der Universität Twente. Glaubt an langfristig clevere Lösungen. Seit 5 Jahren im Bad Bentheimer Stadtrat. Reist leidenschaftlich. Fährt gerne Rad und Kanu, klettert – jeweils begeistert aber nicht sonderlich ambitioniert. Lebt in der Bad Bentheimer Innenstadt.

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